Dass die Altenpflegeschule in Seelbach und das Ludwig-Frank-Haus in Lahr Altenpflegerinnen und Altenpfleger ausbildet, liegt angesichts des Fachkräftemangels in diesem Bereich in ihrem ureigensten Interesse.
Dass die beiden Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt (AWO) damit aber auch eine wichtige Integrationsleistung vollbringen, ist weniger offensichtlich, liegt aber auf der Hand, wenn man sich die Schülerzahlen ansieht. Von den 121 Schülerinnen und Schülern, die zurzeit die Altenpflegeschule in drei Jahrgangsstufen besuchen, weisen etwa 40 % einen Migrationshintergrund auf. Nach den Zahlen der Schule haben 15% von ihnen keine deutsche Staatsbürgerschaft. Sie kommen aus Ländern, die über die ganze Welt verstreut sind, von Serbien bis Südafrika. Viele andere Schüler mit einer Migrationsgeschichte aber sind statistisch nicht zu erfassen, weil sie als Deutsche aus osteuropäischen Staaten eingewandert sind und somit als Deutsche zählen. Die Schule schätzt, dass mindestens 20 von ihnen Deutsche aus Russland oder den Nachfolgestaaten der Sowjetunion sind.
Natalie Mack zum Beispiel stammt aus Kasachstan. Sie selbst ist Russin, ihr Mann ist deutscher Abstammung. Die beiden sind vor 14 Jahren nach Deutschland gekommen, zusammen mit Sohn Alexander (heute 18 Jahre alt). Hier geboren sind dann noch die Zwillinge Stefan und Fredrick (12 Jahre). In Kasachstan hat Natalie Mack als ausgebildete Köchin gearbeitet, danach noch eine zweite Ausbildung als Friseurin angeschlossen und auch in diesem Beruf gearbeitet. Hier in Deutschland sieht sie ihre Zukunft in der Altenpflege. Deshalb - und um die Tätigkeit genauer kennen zu lernen - hat sie zunächst eineinhalb Jahre als Bundesfreiwillige im Ludwig-Haus-Frank gearbeitet und dort zum 1. Oktober die dreijährige Ausbildung angefangen. Ein mutiger Schritt für eine immerhin 38-jährige Frau. Doch nur zuhause zu arbeiten - das hält sie nicht aus. Die Kinder seien jetzt selbstständig, da habe sie eine neue Herausforderung gesucht. "Ich kann nicht nur im Haushalt arbeiten. Ich brauche eine eigene Tätigkeit", sagt sie. Sie hat es als Verkäuferin probiert, das hat ihr aber nicht so gefallen. Doch dabei hat sie gemerkt, dass sie gut mit Menschen umgehen kann, vor allem mit älteren Menschen. Das hat sich im Ludwig-Frank-Haus bestätigt und wird von den Bewohnern honoriert: "Ich helfe gerne und sehe täglich, wie das den alten Menschen Freude bereitet. Das ist genau der richtige Beruf für mich." Deutsch hatte sie schon in der Schule. Dazu hat sie sowohl Sprachkurse in Kasachstan vor ihrer Ausreise besucht und als auch hier nach ihrer Einreise.
Natalie Mack im Gespräch mit einer Bewohnerin
Vom anderen Ende der Erde, aus Nicaragua, ist Roy Fedricks, 31 Jahre alt, vor zwei Jahren nach Deutschland gekommen. Er hat in seinem Heimatland eine Deutsche, die dort ein Freiwilliges Soziales Jahr leistete, kennen und lieben gelernt. Nach dem zweiten Besuch in Deutschland haben die beiden geheiratet, seitdem lebt er hier, hat mehrere Deutsch-Kurse besucht, die Sprache gelernt, den Führerschein gemacht und jetzt die Ausbildung zum Altenpfleger begonnen. In seiner alten Heimat hat er mehrere Tätigkeiten ausgeübt, unter anderem als Taxifahrer und - da er Theologie studiert hatte - als Mitarbeiter der Kirche. Zum Beispiel betreute er die Kinder des Sonntagsgottesdienstes. Auch er ist zum Beruf des Altenpflegers über Praktika gekommen, zunächst in Gießen in einem Seniorenzentrum, danach im Ludwig-Frank-Haus. Wie seine Kollegin hat auch er erfahren, dass er gut mit älteren Menschen umgehen kann, dass sein Einsatz von diesen sehr geschätzt wird und dass deshalb dieser Beruf das richtige für ihn sein könnte. Darüber hinaus sieht er die Notwendigkeit, dass mehr Menschen diesen Beruf ergreifen: "Es gibt in Zukunft immer mehr alte und immer weniger junge Menschen in Deutschland", sagt er. Und schließlich will er ein Beispiel dafür sein, dass auch Menschen von außerhalb hierzulande wichtige Arbeit leisten. Deutsch spricht er schon recht gut. Allerdings bereitet ihm die Fachsprache in der Schule doch so manches Problem. Weil er mit diesem Problem nicht der einzige ist, bietet die Schule einmal wöchentlich zusätzlichen freiwilligen Deutsch-Unterricht an.